Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.01.2003, Nr. 15, S. 68
Karin und Otto Brass möchten andere zum Stiften anregen
ASCHAFFENBURG. Karin und Otto Brass sind in Aschaffenburg aus vielen Gründen bekannt. Die Achtundsechzigjährige führte 15 Jahre lang Aschaffenburgs einzige namhafte Privatgalerie für zeitgenössische Kunst und war elf Jahre lang im Vorstand des Neuen Kunstvereins aktiv. Doch der Name Brass steht auch für kaufmännisches Denken. Otto Brass hat nach dem Krieg gemeinsam mit seinen zwei Brüdern Paul und Oskar aus einer kleinen Autovertretung an der Heinsestraße das Unternehmen zum zweitgrößten Opel-Betrieb in Deutschland aufgebaut. Während sie aus einer sehr musikalischen Familie stammt, kommt der Siebenundsiebzigjährige aus einer gutbürgerlichen Bad Homburger Unternehmerfamilie.
Daß die Aschaffenburger heute beim Namen von Otto Brass nicht nur an den Auto-Händler denken, hängt mit seiner Frau zusammen: Ihr Interesse für moderne Kunst riss ihn mit. Seitdem hat Kultur für ihn einen besonderen Stellenwert. 1994 gründete er auf ihre Anregung hin die Otto-Brass-Stiftung für Kunst und Kultur, die mit einem beachtlichen Vermögen ausgestattet ist. Es war die erste ihrer Art in Unterfranken. Für den Stiftungszweck stehen jährlich mehrere zehntausend Euro zur Verfügung. Mit dem Geld werden einzelne Künstler unterstützt, aber auch der Neue Kunstverein sowie private Gruppen wie der Alzenauer Verein “People in motion”, der sich in der Entwicklungshilfe engagiert. Zudem soll sie laut Satzung Ausstellungen, Konzerte und literarische Veranstaltungen ermöglichen.
Der Stiftung verdankt sich auch der bisher einzige “Förderpreis für zeitgenössische Kunst”, der 1996 ins Leben gerufen wurde mit dem Ziel, in der Region lebende Künstler auszuzeichnen und bei einem Projekt finanziell zu unterstützen. “Unsere Idee war es, unser Vermögen teilweise der von uns gepflegten Kunst und Kultur zukommen zu lassen”, sagt Karin Brass. Doch sie und ihr Mann belassen es nicht beim finanziellen Engagement. Wenn beispielsweise im Kunstlanding eine Vernissage ansteht, bereitet sie Salate zu. Manchmal steht sie auch hinter der Theke und bedient.
Zu befreundeten Künstlern bringt sie schon mal eine Flasche Wein und Wurst mit. Karin und Otto Brass sind eben nicht nur freigebig, sondern auch unkompliziert. Unter dem Einfluß der Tochter Kathrin Brass, die Japanologie studiert hat, wurde der einstige Sammler von Bierhumpen-Deckeln und Dämmer Fayencen zum Sammler von japanischen Farbholzschnitten, “Ukiyoe” genannt. “Otto hat sich immer von seinen Frauen inspirieren lassen”, sagt seine Gattin und blickt zufrieden drein. Hatte ihn anfangs die Faszination dieser schönen Bilder zum Sammeln veranlaßt, wich mit dem Studium der Tochter und den damit verbundenen Auslandsaufenthalten die Neugier einem echten Interesse.
Otto Brass begann in Japan gezielt zu kaufen, so daß er inzwischen mehr als 100 Blätter besitzt, die den Zeitraum der Edo-Periode von 1603 bis 1867 mit herausragenden Blättern und Blockbüchern aller wichtigen Künstler dokumentieren kann. Teile seiner Sammlung waren bereits in mehreren Ausstellungen zu sehen. Im Krieg schwer verwundet und in Gefangenschaft geraten, waren die ersten Nachkriegsjahre für Otto Brass sehr hart. Der Traum vom Studium ließ sich nicht verwirklichen. Der Vater erwartete von seinem Sohn, daß er sich um den Betrieb in Aschaffenburg kümmern sollte. Der Anfang bedeutete für den damals Zwanzigjährigen zunächst einmal, Trümmer wegzuräumen und Steine zu putzen. Der junge Mann war fremd in der Stadt, die er nur flüchtig aus den Ferientagen kannte. Als “möblierten Herr” lebte er eher bescheiden in den verschiedensten Stadtteilen. Als Pfarrjugendführer von St. Agatha, im YMCA-Club der Amerikaner oder in Sportvereinen lernte er jedoch nach und nach die Aschaffenburger kennen “und lieben”.
So auch die junge Karin Gundermann. Als der Elferrat 1953 den seinerzeit in Aschaffenburg nicht übermäßig bekannten Otto Brass bat, in der nächsten Saison Faschingsprinz zu werden, stimmte der junge Mann nur unter der Bedingung zu, “wenn das nette Mädchen aus der Betgasse” seine Faschingsprinzessin werde. 1954 wurden Otto der Erste und Karin die Erste inthronisiert. Im August desselben Jahres wurde Verlobung gefeiert, und ein Jahr später läuteten die Hochzeitsglocken. Karin Brass erscheint als die lebhaftere von beiden. Während ihr Mann die Worte abwägt, erzählt sie bereitwillig von sich. Gleich zu Beginn des Gesprächs stellt sie jedoch klar, daß sie als Stifter-Ehepaar nicht in eine bestimmte Ecke gedrängt werden möchten. “Wenn wir uns jetzt äußern, dann nur deshalb, weil wir hoffen, daß sich dann auch andere zum Stiften angeregt fühlen.” Karin Brass hatte sich 1975 mit der Gründung der “Galerie am Nachmittag” einen langgehegten Traum erfüllt. Hier verwirklichte sie ihre Idee, zeitgenössische Kunst und überregional bedeutsame Künstler zu präsentieren. “Modern, aber nicht modernistisch-modisch, offen für das Neue, aber nicht um jeden Preis progressistisch”, beschrieb sie einmal das Konzept dieser “kleinen Galerie in einer kleinen Stadt”. In 15 Jahren hat sie etwa 90 Ausstellungen organisiert.
Sie holte Künstler wie Horst Jansen, Jiri Anderle, Leo Grewenig, Maurillo Minuzui oder Samuel Bak nach Aschaffenburg und pflegte auch einheimische Maler wie Christian Schad, Siegfried Rischar oder Gunter Ullrich. “Eine goldene Nase” habe sie sich nicht verdient, umschreibt sie vorsichtig das nicht gerade überschäumende Interesse an moderner Kunst. Doch auch wenn der Absatz hätte besser sein können, Karin Brass ist überzeugt, daß sie in Aschaffenburg etwas bewegt hat. Als sie 1991 die Galerie schloß, wurde sie sofort Gründungsmitglied im Neuen Kunstverein, “damit die Moderne sich hier weiter präsentiert”. Seit vergangenem Jahr hat sie sich auch dort zurückgezogen. “Ich möchte nur noch meine Hobbys pflegen, Musik hören und verrückt sein”, sagt sie. Und hat schon wenig später ihre erste “verrückte” Idee. In der alten Jugendstil-Turnhalle an der Grünewaldstraße würde sie gerne ein Museum einrichten, “weil wir finden, daß die städtische Sammlung im labyrinthischen Schloß wenig zur Geltung kommt”, meint Karin Brass, die gemeinsam mit ihrem Mann auch künftig in Aschaffenburg noch etwas bewegen möchte. AGNES SCHÖNBERGER